Die mittelfränkische Wirtschaft befindet sich in einer Boom-Phase. Der Gewerbeimmobilien-Markt kann damit nicht Schritt halten.
Flächen für Büros und Gewerbe bleiben knapp in Mittelfranken, die Preise bewegen sich auf hohem Niveau. Die expandierenden Betriebe haben deshalb weiterhin Mühe, ausreichend Flächen für ihr Wachstum zu finden. Hinzu kommt, dass potenzielle Gewerbeflächen angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen für Projekte des Wohnungsbaus umgewidmet werden. Martina Stengel, Expertin für Standortfragen und Gewerbeimmobilien bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, sieht diese Entwicklung mit Sorge: „Wir dürfen die Daseinsvorsorge für unsere Betriebe nicht aus den Augen verlieren.“
… ERLANGEN
In Erlangen, das weiter an einem chronischen Gewerbeflächenmangel leidet, entsteht derzeit im südlichen Stadtgebiet das Großprojekt Siemens Campus, wo der Konzern auf einer stattlichen Grundstücksfläche von 540 000 Quadratmetern seine bisher verstreuten Standorte bündeln wird. Der erste Bauabschnitt des Vorhabens, in das Siemens insgesamt etwa 500 Mio. Euro investieren will, sieht acht große Bürogebäude mit ca. 90 000 Quadratmetern und drei Parkhäuser vor, die 2020 bezugsfertig sein sollen. Doch die freiwerdenden Flächen werden der Stadt keine wirkliche Entlastung bescheren, weil sie schon weitervermarktet sind. An einem weiteren Standort in Erlangen wird gerade der Neubau des Headquarters der Siemens Medizintechniksparte Healthineers mit rund 20 000 Quadratmetern fertiggestellt.
Außerdem bebaut die Unternehmensgruppe Engelhardt im Rahmen des Projekts Erlanger Höfe rund 32 000 Quadratmeter des ehemaligen Gossen-Geländes mit Wohnungen, Studenten- und Business-Apartments sowie Büroflächen und einem Hotel. Das Projekt hat ein Investitionsvolumen von 155 Mio. Euro und soll im nächsten Jahr fertig sein. Mit 100 Mio. Euro entwickelt die Jost-Gruppe im Stadtteil Erlangen-Bruck bis 2019 das Quartier „Brucklyn“ mit über 20 000 Quadratmetern, auf denen Premium-Apartments, Gastronomie, Geschäfte sowie ein Business- und Gründerzentrum unterkommen sollen. Sontowski & Partner schließt mit dem 11 500 Quadratmeter großen Bürokomplex „TechPark E.17“ die letzte Baulücke im Gewerbegebiet Erlangen-Tennenlohe. Das Objekt ist bereits für einen Alleinmieter reserviert.
Der Abteilung Wirtschaftsförderung der Stadt Erlangen fehlen die Spielräume für Büro- und Gewerbeflächen. Zuletzt verfügte die Stadt nur noch über zwei Gewerbegrundstücke in Tennenlohe und Frauenaurach mit insgesamt ca. 12 000 Quadratmetern. Für beide Flächen finden bereits Verkaufsverhandlungen statt, sodass schon von einem faktischen Ausverkauf der städtischen Gewerbeflächen die Rede ist. An privaten Gewerbegrundstücken dürfte es lediglich vier unbebaute Flächen mit insgesamt rund 24 000 Quadratmetern zum Kauf geben. Die Verkaufsbereitschaft privater Eigentümer geht aber praktisch gegen Null, weil es in der Niedrigzinsphase keine attraktiven Anlageformen gibt, aber auch weil eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung vorgezogen wird. Für den Standort ist das ein alarmierendes Signal, zumal eine Unternehmensbefragung zeigte, dass 34 Firmen für eine Erweiterung oder Verlagerung passende Flächen suchen. Das Wirtschaftsreferat befürchtet daher sogar eine Abwanderung von erfolgreichen Unternehmen, die nicht erweitern können.
Bei der Standortplanung scheint auch das „Mitnehmen“ von Bürgern, Anwohnern und weiteren Interessengruppen eine zunehmend komplexe Aufgabe zu sein. Bei der Stadt Erlangen bedauert man immer noch den vor sechs Jahren verlorenen Bürgerentscheid für das Gewerbegebiet G 6 in Tennenlohe. Zuletzt wurde in Erlangen per Bürgerentscheid die Landesgartenschau 2024 abgelehnt, die zugleich Auftakt zur Entwicklung eines neuen Stadtteils „Regnitzstadt“ sein sollte. Wie es nun mit dem Großparkplatz in Zentrumsnähe weitergeht, wird heftig diskutiert.
Bürgervoten haben nicht nur in Erlangen die Ausweisung neuer Gewerbeflächen verhindert: In Feucht wurde vor zwei Jahren die Ausweitung des Gewerbegebietes gestoppt. 2014 kippte der Nürnberger Stadtrat vor der Kommunalwahl die vor 40 Jahren geplanten Reserveflächen von gut 340 Hektar des Nürnberger Hafens. Dabei ergab das Gewerbeflächengutachten allein für großflächige Logistikbetriebe, wie sie bereits im Güterverkehrszentrum (GVZ) am Hafen in großer Zahl angesiedelt sind, einen zusätzlichen Bedarf von knapp 80 Hektar. Schon bringen sich auch beim Nürnberger Großprojekt Brunecker Straße Naturschützer in Stellung, um die dortigen wertvollen Biotopflächen, wie sie häufig auf brachen Industrieflächen zu finden sind, zu erhalten. Dabei können Vorhaben wie dieses nur aus einem Kompromiss der unterschiedlichen Interessen aus Stadtentwicklern, Bürgern, Unternehmen, Beschäftigten, Naturschützern und Anwohnern gelingen.
Quelle IHK-Magazin 9|2017 inkl. Informationen über Nürnberg, Fürth, Schwabach und Ansbach: https://www.ihk-nuernberg.de/de/IHK-Magazin-WiM/WiM-Archiv/WIM-Daten/2017-09/Special/knapp-gehalten