Mit dem Handschuhmacher-Handwerk wurde Erlangen einst weit über Franken hinaus bekannt. Heute ist Jürgen Pfeiffer einer der letzten seines Standes.

Erlangen hat durch die Ansiedlung hugenottischer Glaubensflüchtlinge aus Frankreich im 17. Jahrhundert wirtschaftlich enorm profitiert. Ein Beispiel ist die Zunft der Handschuhmacher: Jacques Colliveaux und Daniel Hugot aus der Stadt Vitry-le-François in der Champagne brachten sie 1686 nach Erlangen. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte sie ihre Blütezeit: Aufzeichnungen dokumentieren, dass um 1774 über 120 000 Paar in acht Werkstätten hergestellt und über Süddeutschland hinaus bis nach Russland und in die USA vertrieben worden sind. Um 1870 gab es 31 Betriebe mit 69 Gesellen und 52 Lehrlingen.

Heute hält nur noch Jürgen Pfeiffer als einer der letzten seines Fachs in Deutschland die Tradition hoch. Der 76-Jährige fertigt im ersten Stock eines Sandsteinhauses in der Erlanger Altstadt gerade noch ein paar Dutzend Exemplare nach Maß – statt der sechsstelligen Produktionszahlen seiner hiesigen Vorgänger Ende des 18. Jahrhunderts. Meist sind es ungewöhnliche Größen oder Modelle für orthopädische Zwecke. Eine treue Mitarbeiterin ist ihm dabei Heidi Haas, die seit 62 Jahren die Handschuhe zusammennäht.

Noch 1951 waren in dem 1876 gegründeten Familienbetrieb 60 Leute beschäftigt gewesen, darunter 13 Handschuhmacher, die etwa tausend Paar in der Woche schnitten. Jürgen Pfeiffer selbst begann 1954 als Lehrling, zwei Jahre nach dem plötzlichen Tod seines Vaters durch einen Verkehrsunfall. „Ich habe diesen Beruf schon als Bub gewollt“, sagt er. Neun Jahre später legte er die Meisterprüfung ab. Er leitete neben dem Hauptsitz in der Erlanger Hauptstraße 52 weitere Filialen in Erlangen, Nürnberg, Fürth, Konstanz und Regensburg, zusätzlich um Damenoberbekleidung erweitert. Diese Niederlassungen mit den jeweils relativ kleinen Verkaufsflächen waren jedoch dem zunehmenden Wettbewerb nicht mehr gewachsen und mussten in den 70er und 80er Jahren schließen. Heute verdient die Pfeiffer Leder & Mode e. K. das Geld im gut sortierten Lederwarengeschäft in Erlangen mit Schwiegertochter Anette als Pächterin und Chefin. Handtaschen und Rucksäcke, Mäntel und Regenschirme, Geldbörsen, Gürtel, Schmuck und andere Accessoires sorgen dafür, dass der Familienbetrieb überlebt hat, ja optimistisch in die Zukunft blicken kann.

Jürgen Pfeiffer, letzter Obermeister seiner Innung, hat Höhen und Tiefen seines Gewerbes aus Aufzeichnungen erfahren oder selbst hautnah miterlebt. Zu Spitzenzeiten benannte man damals Glacé-Handschuhe – heute noch beim Wiener Opernball gefragt – nach der Stadt, aus der sie kamen: die „Erlanger Glacé-Handschuhe“. Die Massenproduktion zunächst aus Süditalien und Rumänien, heute aus Ungarn und vor allem Asien, hat die Maßhandarbeit verdrängt und unrentabel werden lassen. Denn um ein Paar Handschuhe zu fertigen und in Form zu bringen, sind etwa 90 Arbeitsgänge notwendig – die sich in den Jahrhunderten nicht verändert haben. Das Leder muss makellos sein, stammt u. a. vom Haarschaf – laut Anette Pfeiffer „das beste Handschuhleder, das es gibt“ –, vom neuseeländischen Curlylamm oder von südamerikanischen Peccary-Wildschweinen und wird über englische Großhändler bezogen. Pfeiffer wickelt es in ein nasses Tuch, kontrolliert es auf Narben und „allongiert“ es, d. h. er zieht es immer wieder über die Tischkante, bis es sich nicht mehr in die Länge ziehen lässt. Nur so ist gesichert, dass sich das Leder später nicht mehr ausdehnt, auf fränkisch „ausleiert“. Mit Hilfe einer Schablone werden die Rohlinge ausgeschnitten bzw. mit einer Handhebelpresse ausgestanzt. Die Näherin setzt die Einzelteile zusammen. Pfeiffer: „Jeder Stich muss sitzen, denn im Leder sieht man jedes Nadelloch.“ Zum Schluss wird der Handschuh „dressiert“, also über eine erhitzte Metallform gezogen, damit er glatt wird.

Mit seiner Handwerkskunst ist Handschuhmacher Jürgen Pfeiffer einer der letzten Vertreter einer hugenottischen Tradition, die nach dem Dreißigjährigen Krieg in Erlangen durch diese französischen Flüchtlinge fortgeführt worden ist und die Stadt in vergangenen Zeiten zu wirtschaftlicher Blüte führte – neben Weißgebern, Hutmachern, Strumpfwirkern und Kammmachern.

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(ug.)